Kommunen im Wettbewerb – Staat und Gemeinde als Konkurrenten der Privatwirtschaft

Teil 1 eines Vortrag von Klaus-Michael Rothe, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Schwerin, auf der Tagung „Kommunen im Wettbewerb“ im Rahmen der vierten Greifswalder Verwaltungsfachtage an der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald im September 2000

Die bislang in Deutschland geführte Diskussion hat eines im Ergebnis offenbart: Treffen kommunale Unternehmen und privatwirtschaftlich tätige Unternehmen auf den gleichen Markt, dann sind Probleme vorprogrammiert. Oftmals wurden und werden Gerichte bemüht. Als Stichworte sind in diesem Zusammenhang nur zu nennen: Wettbewerbsverzerrung, Marktverdrängung und unzulässige Betätigung.

Aus Sicht der Wirtschaft ist die Argumentation zahlreicher Kommunen und kommunaler Unternehmen nicht stimmig. Diese lautet wie folgt: Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie sichert einen eigenen Wirkungskreis der Gemeinden mit allgemeinen Aufgaben zur Gestaltung der Gemeindeentwicklung. Also darf sich die Gemeinde auch zum Zwecke der Einnahmeerzielung wirtschaftlich betätigen, um die Aufgaben der Gemeinden zu finanzieren.

Diese Argumentation ist jedoch aus Sicht der IHK zu Schwerin und für mich als Rechtsanwalt sowie Hauptgeschäftsführer der IHK nicht schlüssig:

Die Pflicht zur Finanzierung von Aufgaben zur „ Gemeindeentwicklung “ darf nicht als Legitimation herhalten zur vermeintlichen Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung. Denn negiert wird dabei die historische Entwicklung und Ausgestaltung des Terminus der Gemeindeentwicklung. Dieser impliziert gerade nicht die wirtschaftliche Entwicklung zur Einnahmeerzielung in de facto allen Bereichen. Denn zum einen gewährt die Selbstverwaltungsgarantie nur die schlichte Möglichkeit, gemeindliche klassische Aufgaben über Steuern, Gebühren und Abgaben zu finanzieren. Ob es somit der Einnahmen aus einer wirtschaftlichen Betätigung überhaupt bedarf, wird allgemein nicht mehr geprüft. Nicht beachtet werden in diesem Zusammenhang auch der Begriff und die Bedeutung des sog. „ Steuerstaatssystem s “ (dazu später mehr).

Zudem bedarf es vor allem einer sorgfältigen Prüfung, ob eine Aufgabe einen Unterfall der gemeindlichen Pflichtaufgaben darstellt, mithin überhaupt unter dem Begriff der „ kommunale n Selbstverwaltungsgarantie “ subsumierbar ist.

Denn die Reichweite dieser kommunale n Selbstverwaltungsgarantie ist nicht unbeschränkt. Sie erlaubt nicht jede wirtschaftliche Betätigung kommunaler unternehmen. Auf Unverständnis in der Wirtschaft stößt daher die zum Teil zu beobachtende eigenmächtige und extensive Interpretation der Reichweite der Kommunalen Selbstverwaltung als Begründung insbesondere für neue Aufgaben der Gemeinden in Konkurrenz zu Unternehmen der privaten Wirtschaft. Denn die Dynamik des kommunalen Aufgabenerfindungsrecht s stößt spätestens auf seine Grenzen im Wesensgehalt der gemeindlichen Selbstverwaltung. Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich ausgesprochen, dass die Befugnis von Kommunen zur Übernahme von Aufgaben nur solche betrifft, die Ihnen durch Gesetz übertragen sind (Bundesverfassungsgericht, Amtliche Sammlung, Band 79, S. 127 ff, 146).

Die private Wirtschaft und die IHK zu Schwerin kennen auch kein Gesetz, demzufolge zum Beispiel kommunale Unternehmen Arbeiten durchführen sollen für Grünanlagen oder zur Beratung von Existenzgründern und Unternehmen oder sogar als Telekommunikationsdienstleistungsanbieter oder als Wäschereien auftreten. Weitere Stilblüten dieses „ kommunalen Aufgabenerfindungsrechts “ sind auch Nagelstudios, Schönheitsfarmen, Hotels und Touristikunternehmen. Als vermeintliche Konkretisierung der sozialen Verantwortung werden z.B. zum Zwecke der Seniorenbetreuung kommunale Cafés betrieben, Ausflugsfahrten organisiert und öffentliche Sozialstationen geführt, deren Tätigkeit inhaltlich derjenigen privater Pflegeunternehmen entspricht. Unter dem Stichwort der sog. „ Randnutzung “ oder „ Annex-Tätigkeit “ werden Werbeflächen an Bussen und Straßenbahnen vermietet. Im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge, aber gleichwohl als Wirtschaftssubjekt, liefert die öffentliche Hand Wasser und Energie, betreibt Schwimmbäder, Theater, Krankenhäuser sowie Rundfunkanstalten. Es fällt bei dieser kurzen Aufstellung daher oft schwer, abgeleitet aus der in Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz bestimmten kommunale n Selbstverwaltungsgarantie, eine „ klassische “ öffentliche Daseinsvorsorge der öffentlichen Hand für ihre Bürger zu erkennen. So muss z.B. ein vermeintlich sozialstaatlich-fürsorglicher Schutz der Bürger vor einem Diktat überhöhter Nutzungspreise durch private Anbieter als Argument herhalten für das Engagement der öffentliche n Hand im Telekommunikationssektor. Willkommener „ Nebeneffekt “ für die Kommune ist aber natürlich die Erwartung hoher Gewinne auf einem Wachstumsmarkt. Bisweilen tritt auch offenkundig das kommunale Interesse zutage, vorhandene (Über) Kapazitäten besser auszulasten. Gerade hier traten Fälle auf in den Bereichen Übernahme von Planungsleistungen durch städtische Ingenieure oder auch bei der Umwandlung eines kommunalen Garten- und Friedhofsamtes in einen Eigenbetrieb, der mit seinem Leistungsangebot in Konkurrenz zu privaten Gärtnereien tritt. Augenscheinlich und oft massiv werden dadurch die wirtschaftlichen Interessen privater Marktbeteiligter und auch von der IHK zu Schwerin zugehörigen Unternehmen berührt.

Diese Aufzählung der uns als IHK zu Schwerin bekannten Betätigungsmöglichkeiten gilt bundesweit. Sie ist – und das möchte ich ausdrücklich betonen – nicht komplett auf Mecklenburg-Vorpommern übertragbar. Von den teilweise krassen personellen Überkapazitäten gerade in den alten Bundesländern sind wir häufig sogar ein Stück weit entfernt. Dennoch ist rechtzeitig zu bedenken, wie wir hier vor Ort im Land Mecklenburg-Vorpommern z.B. mit den Bau- und Planungsabteilungen umgehen, wenn der gewaltige Nachholbedarf bei den öffentlichen und privaten Bauvorhaben nicht mehr besteht. Müssen Stadtwerke und kommunale Eigenbetriebe Spaßbäder und Schwimmhallen betreiben? Wie gestaltet sich künftig die allgemeine Daseinsvorsorge? Fehlentwicklungen der geschilderten Art sind in jedem Fall zu vermeiden.

Zu Recht scheint sich angesichts der genannten Stilblüten und Auswüchse öffentlicher Betätigungen die Rechtsprechung wohl gefestigt zu haben. Das bekannte Urteil „ Gelsengrün “ des

OLG Hamm und zuletzt das Landgericht Trier haben das wirtschaftliche Konkurrenzverhältnis zwischen kommunalen Unternehmen und Privatwirtschaft reduziert auf die Formel „ Daseinsvorsorge versus Wettbewerb “. Die zunehmende wirtschaftliche Betätigung der öffentliche n Hand ist in der Regel nur eine Scheinprivatisierung und bedeutet einen Wettbewerbsnachteil für private Unternehmen. Denn die öffentliche Hand bildet als Mehrheitsgesellschafter den faktischen Gewährträger. Diese Gewährträgerhaftung wälzt das unternehmerische Risiko auf die Gesellschafter und damit im Ergebnis auf die Steuerzahler ab. Ein derart subventioniertes Unternehmen verzerrt den Wettbewerb und kann ohne Gewinnerzielungsabsicht seine Leistungen zu anderen als den marktüblichen Konditionen anbieten. Im durch das Landgericht Trier entschiedenen Fall erfolgte die Wirtschaftsberatung sogar kostenlos, in anderen Fällen deutlich unter den marktüblichen Preisen. Gibt es somit private Anbieter auf dem Markt, kann und muss die Kommune Abstand nehmen von einer eigenen wirtschaftlichen Betätigung in diesem Segment.

Dies ist – wie mir als Klaus-Michael Rothe – Hauptgeschäftsführer der IHK zu Schwerin in der Vergangenheit angesichts unserer als IHK über Jahre konsequenten Haltung in dieser Problemgemengelage vorgeworfen wurde – auch keine „ Rosinenpickerei “! Allein schon das Steuerstaatssystem, fehlende Unternehmergrundrechte des Staates und das Kommunalrecht verbieten mit ihrem Subsidiaritätsgedanke n schlicht ein Agieren der von der öffentliche n Hand beherrschten Gesellschaften auf bereits durch private Unternehmen besetzte Märkten. Aber die Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern z.B. formuliert gerade kein Verbot in diesem Sinne. Es geht daher nicht um Rosinen für die Wirtschaft: Dort, wo private Unternehmen tätig sind, hat sich die öffentliche Hand bereits de lege lata zurückzuhalten. So hat Rheinland-Pfalz 1999 im § 85 GO eine Verschärfung der Subsidiaritätsklausel zugunsten der Privatwirtschaft verabschiedet. Aus gutem Grund: Denn das unternehmerische Risiko für kommunale Unternehmen ist auf besetzten Märkten ungleich höher. Und insbesondere auch in diesen Fällen gilt, dass dieses wirtschaftliche Risiko letztlich der Steuerzahler trägt.

Insoweit ist nach Auffassung der IHK zu Schwerin der § 68 Abs. 1 Nr.3 der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern zwingend ergänzend um die markt- und volkswirtschaftliche Komponente auszulegen.

Und es ist daher keine „ Rosinenpickerei “, wenn wir als IHK s (und damit als Vertreter der Gesamtheit der gewerblichen Wirtschaft) fordern, die Kommunalverfassung in Mecklenburg-Vorpommern im § 68 Abs. 1 Nr.3 wieder in den ursprünglichen Wortlaut zu ändern. Es führt zu Verwerfungen und Fehlinterpretationen, wenn nach der jetzigen Rechtslage die Aufgabe der Gemeinde bereits dann zulässig sein soll, wenn sie diese ebenso gut und wirtschaftlich wie private Dritte erfüllen kann. Die Hemmschwelle kommunaler Tätigkeit muss wieder hinaufgesetzt werden. Die Gemeinden müssen den Nachweis vor Durchführung der Tätigkeit erbringen, dass sie wirtschaftlicher und besser als private Dritte sind. Diese strikte Subsidiaritätsklausel – bewährt z.B. in Thüringen, aber leider deutlich abgeschwächt bei uns in Mecklenburg-Vorpommern – ist keine Neuauflage eines bundesdeutschen Auslaufmodells, wie es der Städte- und Gemeindetag für Mecklenburg-Vorpommern noch Anfang diesen Jahres versuchte darzustellen.

Diese klare Forderung der IHK zu Schwerin bzw. der Wirtschaft möchte ich durch einen weiteren Aspekt belegen, der leider in der Vergangenheit nicht offen diskutiert wurde, aber unterschwellig nicht nur die Stadtkämmerer beschäftigt.

Die mögliche Gewinnerzielungsabsicht kommunaler Unternehmen kann und darf nicht den eigentlichen öffentliche n Zweck kommunalwirtschaftliche r Betätigung als Tatbestandsmerkmal ersetzen. Die Anhebung der Hemmschwelle durch Änderung der Kommunalverfassung soll und muss zugleich verhindern, dass sich Kommunen in Zeiten leerer öffentliche r Kassen, über das sog. Aufgabenerfindungsrecht vermeintliche oder echte Einnahmequellen zu erschließen

Es würde daher einen Rückfall in eine längst überwunden geglaubte Staatswirtschaft darstellen, wenn die Gewinnorientierung der Kommunen dem zwingend erforderlichen öffentliche n Zweck zugerechnet würde. Die kommunale Gewinnorientierung darf kein Legitimationsgrund der wirtschaftlichen Betätigung kommunaler Unternehmen sein! Die staatliche Wirtschaftstätigkeit wurzelt schlicht im strikten Subsidiaritätsgedanken. Es gilt immer noch das Steuerstaatssystem, nicht die Gewinnerzielungsabsicht unter dem Deckmantel des öffentliche n Zweck s.

Oder auch anders ausgedrückt: Unser Wirtschaftssystem geht nur subsidiär von einer kommunalen Wirtschaftstätigkeit aus. Allgemein gilt das Steuerstaatsprinzip, d.h. der Staat finanziert seine Aufgaben und Einrichtungen über das Steuer- und Abgabenaufkommen. Nur subsidiär und abgeleitet aus Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz sowie konkretisiert durch die jeweiligen Kommunalverfassungen der Länder sind den Gemeinden bestimmte Bereiche für eine wirtschaftliche Betätigung zugeordnet. Diese Bereiche haben aber ausnahmslos eine Gemeinwohlfunktion, der „ öffentliche Zweck “ muss die jeweilige Aufgabenerfüllung rechtfertigen. Eine allein aus dem Zweck der Gewinnerzielungsabsicht betriebene kommunale Einrichtung ist kommunalrechtlich nicht zulässig. Leere Kassen und ein möglicherweise generierbares Finanzvolumen sind kein Ersatz des öffentliche n Zweck s.

In erster Linie soll der Staat an den Erträgen der Wirtschaft partizipieren. Gleichsam als „ Kostgänger “ ist der Staat auf der Grundlage des genannten Steuerstaatssystem s verwiesen auf den privatwirtschaftlichen Erfolg und Ertrag. Betätigt sich der Staat selbst wirtschaftlich im Wettbewerb zu den privaten Unternehmen, dann sinkt der private ertrag und zusätzlich sinken die mittelbaren Erträge zugunsten des Staates.

Soweit kurz der Sachstand der unterschiedlichen Auffassungen. Wie aber soll es nun in Anbetracht dieser grundsätzlich unterschiedlichen Ausgangspositionen aus meiner persönlichen Sicht als Klaus-Michael Rothe und Hauptgeschäftsführer der IHK zu Schwerin weitergehen?

Klaus-Michael Rothe Hauptgeschäftsführer der IHK Schwerin

Weiter mit Teil 2


 

Der vorstehend wiedergegebene 1. Teil des Vortrag des Hauptgeschäftsführers der IHK zu Schwerin, Klaus-Michael Rothe, ist Teil der Dokumentation der Tagung „ Kommunen im Wettbewerb “ anlässlich der vierten Greifswalder Verwaltungsrechtstage vom September 2000 an der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald. (Rothe, Klaus-Michael: Kommunen im Wettbewerb – Staat und Gemeinde als Konkurrent der Privatwirtschaft. In: Wallerath, Maximilian (Hg.), Kommunen im Wettbewerb. Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 2001, S. 43 – 50).


 

Hinterlasse einen Kommentar